Die stille Katechese des Leidens
Abschluss der Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. Der heilige Papst Johannes Paul II. Foto: Vatican Media 35 Wochen lang sind wir dem großen Schatz nachgegangen und haben den geistlichen, theologischen wie philosophischen Reichtum der Enzykliken erkundet, die Johannes Paul II. in seinem Pontifikat, das 26 ½ Jahre währte, publiziert hat – ein Vermächtnis für Kirche und Welt. Als „Servus servorum Dei“ hat der aus Polen kommende, bis heute verehrte und bewunderte Papst Schriften verfasst, die der Kirche Gottes zur Beachtung geschenkt sind und von der sich doch in trotziger Empörung heute – besonders in Deutschland – Theologen und Bischöfe abwenden wollen. Die Abkehr von der Lehre der Kirche wird als „Weiterentwicklung“ bezeichnet. So traurig wie bezeichnend ist auch, dass Bischof Dr. Georg Bätzing am 10. September 2021 in seinem Grußwort an die Teilnehmer des „Marsches für das Leben“ von „werdenden Müttern und Eltern“ gesprochen hat. Darüber hätte der heilige Johannes Paul II. nur verständnislos den Kopf geschüttelt. Eine schwangere Frau ist keine „werdende Mutter“, sie ist Mutter, ebenso wenig wie der Vater ein „werdender Vater“ ist, sondern Vater. Das ungeborene Kind ist auch nicht werdendes Leben – wie vielfach bis in den Raum der Kirche hinein unbedacht gesagt wird –, sondern menschliches Leben, vom Augenblick der Empfängnis an. Wir sprechen darum ja auch vom Kind im Mutterleib, nicht vom Kind im Leib der „werdenden Mutter“. All dies zeigt uns, wie viel, wie sehr wir als Kirche vom heiligen Johannes Paul II. lernen können, wie wichtig auch das Lehramt ist, das uns die Orientierung und die Klarheit schenkt, derer wir alle so sehr bedürfen. Wir denken, wenn uns der heilige Johannes Paul II. vor Augen steht, aber nicht nur an einen Kirchenlehrer und Menschenfreund, sondern auch an seinen langen Abschied von der Welt. Von Leiden und schwerer Krankheit gezeichnet hat er in den letzten Jahren seines Lebens ein Vorbild und Beispiel gegeben, wie wir Schmerzen und körperliche Schwäche annehmen und ertragen können, all das, was uns selbst oder unseren Mitmenschen auferlegt ist. Die Predigten des heiligen Johannes Pauls II. wurden zum Ende seines Pontifikates hin immer kürzer. Er hatte, bedingt durch die Parkinson-Erkrankung, auch mit schweren Atemproblemen zu kämpfen. Beharrlich und unermüdlich suchte er dennoch die Nähe zu den Menschen, und die Menschen suchten ihn. Seine letzte Auslandsreise führt ihn nach Lourdes. Dort sagte er am Hochfest Mariä Himmelfahrt: „Das Gute erregt kein Aufsehen, und die Kraft der Liebe äußert sich in der zurückhaltenden Diskretion des täglichen Dienens.“ Er verband sich, deutlich geschwächt und erschöpft, noch einmal im Gebet mit den Kranken und mit allen, die an Gott glauben oder mit ganzer Seele das Antlitz des Herrn suchen. Johannes Paul II. ermutigte besonders die jungen Menschen zum Glauben an Gott – und alle sahen den gebrechlichen, leidenden Papst, tief berührt von der Begegnung mit dem Stellvertreter Christi. Zu Beginn des Jahres 2005 spürte Johannes Paul II., dass der Herr ihn zu sich rief. Die letzte Wegstrecke hatte begonnen. Während des Aufenthaltes in der Gemelli-Klinik verlas Erzbischof Sandri die Worte des Papstes zum Angelus-Gebet am 6. März 2005: „Christus ist gekommen, um die Augen der Menschen für das Licht des Glaubens zu öffnen. Ja, ihr Lieben, der Glaube ist das Licht, das uns auf dem Weg des Lebens führt, er ist die Flamme, die uns in schwierigen Augenblicken tröstet. Wenn ein Kind geboren wird, sagt man, daß es »das Licht der Welt erblickt«. … Die allerseligste Jungfrau Maria möge uns helfen, von Christus die Gabe eines immer klareren und stärkeren Glaubens zu erlangen, damit wir konsequente und mutige Zeugen seines Evangeliums sein können.“ Was konnte Johannes Paul II., der mutige Zeuge des Evangeliums, nun noch tun? Seine Zeit, für immer nach Hause zu gehen, war gekommen. In den Tagen seines Leidens, so scheint es, ist Johannes Paul II. dem gekreuzigten Christus immer ähnlicher geworden. Wir alle wissen, wie unerträglich es sein kann, die schweren Leiden unserer geliebten Angehörigen mitanzusehen und nur noch die eigene Ohnmacht bezeugen zu können. Die Teilhabe an der Passion hat viele Formen. Am 27. Februar 2005 ließ er diese Botschaft beim Angelus verlesen: „Wenn wir auf Christus schauen und ihm mit geduldigem Vertrauen folgen, werden wir erkennen, daß jede Form menschlichen Leidens eine göttliche Verheißung des Heils und der Freude beinhaltet. Ich wünsche mir, daß diese Botschaft des Trostes und der Hoffnung alle Menschen erreiche, vor allem diejenigen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, und all jene, die an Körper und Geist leiden.“ Johannes Paul II. ist in dem Glauben gestorben, dass das Beste noch kommt, das Ewige Leben im Reich Gottes. Er hat in vielen Enzykliken den Glauben und die Morallehre der Kirche bezeugt, erklärt, verteidigt und allen Menschen guten Willens ans Herz gelegt. Sein geistliches Erbe bleibt ein Auftrag für uns heute. Am Ende seines Lebens steht kein Lehrschreiben. Doch die Katechesen des Leidens und der stumme Ostersegen sind – nach meiner Wahrnehmung – eine ungeschriebene Enzyklika. Der damalige Kardinaldekan Joseph Ratzinger sagte in der Predigt beim Requiem für Johannes Paul II.: „Für uns alle bleibt es unvergeßlich, wie der Heilige Vater, vom Leiden gezeichnet, am letzten Ostersonntag seines Lebens noch einmal am Fenster des Apostolischen Palastes erschienen ist und zum letzten Mal den Segen »Urbi et orbi« erteilt hat. Wir können sicher sein, daß unser geliebter Papst jetzt am Fenster des Hauses des Vaters steht, uns sieht und uns segnet. Ja, segne uns, Heiliger Vater.“ Wir dürfen heute, dankbar für das Pontifikat Johannes Pauls II., gemeinsam beten: Heiliger Johannes Paul II., bitte für uns. Quelle: CNA Deutsch, 25. September, 2021 Autor: Dr. Thorsten Paprotny
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