Dr. Thorsten Paprotny

Die stille Katechese des Leidens

Abschluss der Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. Der heilige Papst Johannes Paul II. Foto: Vatican Media 35 Wochen lang sind wir dem großen Schatz nachgegangen und haben den geistlichen, theologischen wie philosophischen Reichtum der Enzykliken erkundet, die Johannes Paul II. in seinem Pontifikat, das 26 ½ Jahre währte, publiziert hat – ein Vermächtnis für Kirche und Welt. Als „Servus servorum Dei“ hat der aus Polen kommende, bis heute verehrte und bewunderte Papst Schriften verfasst, die der Kirche Gottes zur Beachtung geschenkt sind und von der sich doch in trotziger Empörung heute – besonders in Deutschland – Theologen und Bischöfe abwenden wollen. Die Abkehr von der Lehre der Kirche wird als „Weiterentwicklung“ bezeichnet. So traurig wie bezeichnend ist auch, dass Bischof Dr. Georg Bätzing am 10. September 2021 in seinem Grußwort an die Teilnehmer des „Marsches für das Leben“ von „werdenden Müttern und Eltern“ gesprochen hat. Darüber hätte der heilige Johannes Paul II. nur verständnislos den Kopf geschüttelt. Eine schwangere Frau ist keine „werdende Mutter“, sie ist Mutter, ebenso wenig wie der Vater ein „werdender Vater“ ist, sondern Vater. Das ungeborene Kind ist auch nicht werdendes Leben – wie vielfach bis in den Raum der Kirche hinein unbedacht gesagt wird –, sondern menschliches Leben, vom Augenblick der Empfängnis an. Wir sprechen darum ja auch vom Kind im Mutterleib, nicht vom Kind im Leib der „werdenden Mutter“. All dies zeigt uns, wie viel, wie sehr wir als Kirche vom heiligen Johannes Paul II. lernen können, wie wichtig auch das Lehramt ist, das uns die Orientierung und die Klarheit schenkt, derer wir alle so sehr bedürfen. Wir denken, wenn uns der heilige Johannes Paul II. vor Augen steht, aber nicht nur an einen Kirchenlehrer und Menschenfreund, sondern auch an seinen langen Abschied von der Welt. Von Leiden und schwerer Krankheit gezeichnet hat er in den letzten Jahren seines Lebens ein Vorbild und Beispiel gegeben, wie wir Schmerzen und körperliche Schwäche annehmen und ertragen können, all das, was uns selbst oder unseren Mitmenschen auferlegt ist. Die Predigten des heiligen Johannes Pauls II. wurden zum Ende seines Pontifikates hin immer kürzer. Er hatte, bedingt durch die Parkinson-Erkrankung, auch mit schweren Atemproblemen zu kämpfen. Beharrlich und unermüdlich suchte er dennoch die Nähe zu den Menschen, und die Menschen suchten ihn. Seine letzte Auslandsreise führt ihn nach Lourdes. Dort sagte er am Hochfest Mariä Himmelfahrt: „Das Gute erregt kein Aufsehen, und die Kraft der Liebe äußert sich in der zurückhaltenden Diskretion des täglichen Dienens.“ Er verband sich, deutlich geschwächt und erschöpft, noch einmal im Gebet mit den Kranken und mit allen, die an Gott glauben oder mit ganzer Seele das Antlitz des Herrn suchen. Johannes Paul II. ermutigte besonders die jungen Menschen zum Glauben an Gott – und alle sahen den gebrechlichen, leidenden Papst, tief berührt von der Begegnung mit dem Stellvertreter Christi. Zu Beginn des Jahres 2005 spürte Johannes Paul II., dass der Herr ihn zu sich rief. Die letzte Wegstrecke hatte begonnen. Während des Aufenthaltes in der Gemelli-Klinik verlas Erzbischof Sandri die Worte des Papstes zum Angelus-Gebet am 6. März 2005: „Christus ist gekommen, um die Augen der Menschen für das Licht des Glaubens zu öffnen. Ja, ihr Lieben, der Glaube ist das Licht, das uns auf dem Weg des Lebens führt, er ist die Flamme, die uns in schwierigen Augenblicken tröstet. Wenn ein Kind geboren wird, sagt man, daß es »das Licht der Welt erblickt«. … Die allerseligste Jungfrau Maria möge uns helfen, von Christus die Gabe eines immer klareren und stärkeren Glaubens zu erlangen, damit wir konsequente und mutige Zeugen seines Evangeliums sein können.“ Was konnte Johannes Paul II., der mutige Zeuge des Evangeliums, nun noch tun? Seine Zeit, für immer nach Hause zu gehen, war gekommen. In den Tagen seines Leidens, so scheint es, ist Johannes Paul II. dem gekreuzigten Christus immer ähnlicher geworden. Wir alle wissen, wie unerträglich es sein kann, die schweren Leiden unserer geliebten Angehörigen mitanzusehen und nur noch die eigene Ohnmacht bezeugen zu können. Die Teilhabe an der Passion hat viele Formen. Am 27. Februar 2005 ließ er diese Botschaft  beim Angelus verlesen: „Wenn wir auf Christus schauen und ihm mit geduldigem Vertrauen folgen, werden wir erkennen, daß jede Form menschlichen Leidens eine göttliche Verheißung des Heils und der Freude beinhaltet. Ich wünsche mir, daß diese Botschaft des Trostes und der Hoffnung alle Menschen erreiche, vor allem diejenigen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, und all jene, die an Körper und Geist leiden.“ Johannes Paul II. ist in dem Glauben gestorben, dass das Beste noch kommt, das Ewige Leben im Reich Gottes. Er hat in vielen Enzykliken den Glauben und die Morallehre der Kirche bezeugt, erklärt, verteidigt und allen Menschen guten Willens ans Herz gelegt. Sein geistliches Erbe bleibt ein Auftrag für uns heute. Am Ende seines Lebens steht kein Lehrschreiben. Doch die Katechesen des Leidens und der stumme Ostersegen sind – nach meiner Wahrnehmung – eine ungeschriebene Enzyklika. Der damalige Kardinaldekan Joseph Ratzinger sagte in der Predigt beim Requiem für Johannes Paul II.: „Für uns alle bleibt es unvergeßlich, wie der Heilige Vater, vom Leiden gezeichnet, am letzten Ostersonntag seines Lebens noch einmal am Fenster des Apostolischen Palastes erschienen ist und zum letzten Mal den Segen »Urbi et orbi« erteilt hat. Wir können sicher sein, daß unser geliebter Papst jetzt am Fenster des Hauses des Vaters steht, uns sieht und uns segnet. Ja, segne uns, Heiliger Vater.“ Wir dürfen heute, dankbar für das Pontifikat Johannes Pauls II., gemeinsam beten: Heiliger Johannes Paul II., bitte für uns. Quelle: CNA Deutsch,  25. September, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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Eucharistie und Kirche

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 34 Eucharistische Andacht vor dem Allerheiligsten. Foto: Elisa Pires via JMJ Rio 2013-Flickr (CC BY-NC-SA 2.0) In „Ecclesia de eucharistia“ werden wir mit dem Lebensprinzip der Kirche vertraut gemacht. Das, was wirklich Kirche ist, lässt sich nur eucharistisch verstehen. Der heilige Johannes Paul II. legt darum dar: „Die Eingliederung in Christus, die in der Taufe verwirklicht wird, erneuert und festigt sich beständig durch die Teilnahme am eucharistischen Opfer, vor allem durch die volle Teilnahme am Opfer in der sakramentalen Kommunion. Wir können sagen, daß nicht nur jeder einzelne von uns Christus empfängt, sondern auch, daß Christus jeden einzelnen von uns empfängt.“ In der Eucharistie wird der Freundschaftsbund Christi mit den Jüngern, mit jedem Einzelnen von uns deutlich und in der Feier der heiligen Messe sakramental erneuert. Die Kirche ist nämlich weder Apparat noch Behörde – auch wenn sie in ihren säkularen Formen oft so erscheint und manche Amtsträger wie Funktionäre auftreten –, und sie ist weder eine NGO noch ein weltumspannender Konzern. Wer nicht begreift, dass die Kirche aus der Eucharistie lebt, hat nichts von ihr verstanden: „Unsere Vereinigung mit Christus, die Geschenk und Gnade für jeden einzelnen ist, bewirkt, daß wir in ihm auch zur Einheit seines Leibes, zur Kirche, zusammengefügt werden. Die Eucharistie festigt die Eingliederung in Christus, die in der Taufe durch die Gabe des Geistes grundgelegt worden ist (vgl. 1 Kor 12, 13.27).“ Die Eucharistie stiftet Einheit: „Den Keimen der Entzweiung unter den Menschen, die – wie die tägliche Erfahrung zeigt – aufgrund der Sünde tief in die Menschheit eingegraben sind, stellt sich die schöpferische Kraft der Einheit des Leibes Christi entgegen. Die Eucharistie, die die Kirche auferbaut, schafft gerade dadurch Gemeinschaft unter den Menschen.“ Johannes Paul II. würdigt gerade die Formen der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments, das stille Gebet vor dem Tabernakel. Er schreibt sehr persönlich darüber: „Es ist schön, bei ihm zu verweilen und wie der Lieblingsjünger, der sich an seine Brust lehnte (vgl. Joh 13, 25), von der unendlichen Liebe seines Herzens berührt zu werden. Wenn sich das Christentum in unserer Zeit vor allem durch die »Kunst des Gebetes« auszeichnen soll, wie könnte man dann nicht ein erneuertes Verlangen spüren, lange im geistlichen Zwiegespräch, in stiller Anbetung, in einer Haltung der Liebe bei Christus zu verweilen, der im Allerheiligsten gegenwärtig ist? Wie oft, meine lieben Brüder und Schwestern, habe ich diese Erfahrung gemacht, und daraus Kraft, Trost und Stärkung geschöpft!“ Weiterhin betont er: „Wenn die Eucharistie die Kirche auferbaut und die Kirche die Eucharistie vollzieht, wie ich eben in Erinnerung gerufen habe, so folgt daraus, daß es zwischen der Eucharistie und der Kirche eine sehr enge Verbindung gibt.“ Unentbehrlich sei der „Dienst der Priester“, also der geweihten Priester: „Das priesterliche Dienstamt ist unersetzlich, um die eucharistische Konsekration gültig an das Kreuzesopfer und an das Letzte Abendmahl zu binden.“ Ohne Priester kann es keine eucharistische Versammlung geben. Zugleich stellt der Papst klar: „Die Tatsache, daß die Vollmacht zur Darbringung der Eucharistie ausschließlich den Bischöfen und Priestern anvertraut ist, stellt keine Herabsetzung des übrigen Gottesvolkes dar.“ Der heilige Papst bittet inständig darum, um Priesterberufungen zu beten. Ebenso wirbt er für eine neue Wertschätzung des Bußsakraments. Notwendig sei auch, dass eine „wahrhaft eucharistische Gemeinde sich nicht selbstgenügsam in sich verschließen kann, sondern offen sein muß gegenüber jeder anderen katholischen Gemeinde“ – und dies steht entgegen all jenen heutigen Überlegungen, die vom Charisma bestimmter Kirchorte sprechen. Deutlich betont Johannes Paul II.: „Die kirchliche Gemeinschaft der eucharistischen Versammlung ist Gemeinschaft mit dem eigenen Bischof und mit dem Papst.“ Wer glaubt, darauf verzichten können, schert aus der Gemeinschaft der Kirche aus: „Jeder Gläubige hat die Aufgabe, die kirchliche Gemeinschaft zu bewahren und zu fördern, besonders im sorgsamen Umgang mit der Eucharistie, dem Sakrament der Einheit der Kirche. Noch konkreter fällt diese Aufgabe den Hirten der Kirche zu, die gemäß ihrer eigenen Stellung und ihrem kirchlichen Amt eine besondere Verantwortung haben.“ Es gelte, auf die Würde der Feier der Eucharistie und auf die Einhaltung der liturgischen Normen zu achten. Johannes Paul II. erklärt darum: „Die Liturgie ist niemals Privatbesitz von irgend jemandem, weder vom Zelebranten noch von der Gemeinde, in der die Mysterien gefeiert werden. … Auch in unserer Zeit muß der Gehorsam gegenüber den liturgischen Normen wiederentdeckt und als Spiegel und Zeugnis der einen und universalen Kirche, die in jeder Eucharistiefeier gegenwärtig wird, geschätzt werden. Der Priester, der die heilige Messe getreu nach den liturgischen Normen feiert, und die Gemeinde, die sich diesen Normen anpaßt, bekunden schweigend und doch beredt ihre Liebe zur Kirche. … Niemand darf das Mysterium unterbewerten, das unseren Händen anvertraut wurde: Es ist zu groß, als daß sich irgend jemand erlauben könnte, nach persönlichem Gutdünken damit umzugehen, ohne seinen sakralen Charakter und seine universale Dimension zu achten.“ Die Eucharistie sei der „Schatz der Kirche“ und das „Herz der Welt“, zugleich „ein großes Geheimnis, das uns überragt und die Fähigkeit unseres Geistes gewiß auf die harte Probe stellt, über den Augenschein hinauszugehen“. Johannes Paul II. empfiehlt, auf Maria zu schauen und von ihr zu lernen: „Wenn wir Maria betrachten, die mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen ist, sehen wir ein Stück des »neuen Himmels« und der »neuen Erde«, die sich bei der zweiten Ankunft Christi vor unseren Augen öffnen werden. Die Eucharistie ist hier auf Erden ihr Unterpfand und in gewisser Weise ihre Vorwegnahme: »Veni, Domine Iesu!« (Offb 22, 20). Im demütigen Zeichen von Brot und Wein, die in seinen Leib und in sein Blut wesensverwandelt werden, geht Christus mit uns; er ist unsere Kraft und unsere Wegzehrung, er macht uns für alle zu Zeugen der Hoffnung. Wenn vor diesem Mysterium der Verstand seine Grenzen erfährt, so erahnt doch das Herz, das von der Gnade des Heiligen Geistes erleuchtet ist, wie man sich davor verhalten und in Anbetung und grenzenloser Liebe darin versenken soll.“ In der letzten Enzyklika des Pontifikates hat Johannes Paul II. – wie in seinem ganzen Leben hindurch – diese Hoffnung demütig glaubend bezeugt. Darum können wir alle

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Wovon die Kirche lebt

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 33 Eucharistie-Feier Foto: Ramses Sudland / Unsplash (CC0) Am 17. April 2003 publizierte Johannes Paul II. mit „Ecclesia de eucharistia“ seine letzte Enzyklika, die auf gewisse Weise auch ein großes Resümee seines Pontifikates ist. Die Kirche, damit jeder Gläubige, lebt aus der Eucharistie und aus der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments. Nicht Diskussionen erfrischen und beleben das Haus Gottes, sondern die Nähe zum Herrn, der leibhaftig gegenwärtig ist im Tabernakel und in der heiligen Eucharistie, die die Kirche feiert, bis er wiederkommt in Herrlichkeit: „Die Kirche lebt von der Eucharistie. Diese Wahrheit drückt nicht nur eine alltägliche Glaubenserfahrung aus, sondern enthält zusammenfassend den Kern des Mysteriums der Kirche. Mit Freude erfährt sie unaufhörlich, daß sich auf vielfältige Weise die Verheißung erfüllt: »Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28, 20). In einzigartiger Intensität erfreut sie sich dieser Gegenwart jedoch in der heiligen Eucharistie, bei der Brot und Wein in Christi Leib und Blut verwandelt werden. Seitdem die Kirche, das Volk des Neuen Bundes, am Pfingsttag ihren Pilgerweg zur himmlischen Heimat begonnen hat, prägt dieses göttliche Sakrament unaufhörlich ihre Tage und erfüllt sie mit vertrauensvoller Hoffnung.“ Die Eucharistie schenkt Hoffnung. Wäre der Herr in ihr nicht leibhaft gegenwärtig, so wäre die Messfeier nicht mehr als eine fromme Erbauungsstunde oder ein ehrenwertes Gedenken. Aber Christus „gegenwärtig im Sakrament des Altares, in dem die Kirche den vollkommenen Ausdruck seiner unendlichen Liebe entdeckt“. Aus dem Ostermysterium gehe die Kirche hervor. Jeder Katholik wächst sein ganzes Leben hindurch immer mehr in das Geheimnis des Glaubens hinein, dem er sich staunend annähert, an dem er dankbar teilhaben darf. Die Konsekration der Gaben, die unverfälschten Einsetzungsworte, sind der Höhepunkt der heiligen Messe: „Die Einsetzung der Eucharistie nahm in der Tat auf sakramentale Weise die Ereignisse vorweg, die sich, beginnend mit der Todesangst in Getsemani, kurz darauf zutragen sollten.“ Der heilige Papst spricht von einem „großen und dankbaren Staunen“: „Die Eucharistie verbindet Himmel und Erde. Sie umfaßt und erfüllt alles Geschaffene. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um alles Geschaffene in einem höchsten Akt des Lobes dem zurückzuerstatten, der es aus dem Nichts geschaffen hat. Indem der ewige Hohepriester durch das Blut seines Kreuzes in das ewige Heiligtum eintritt, erstattet er dem Schöpfer und Vater die ganze erlöste Schöpfung zurück. Das tut er durch das priesterliche Dienstamt der Kirche zur Ehre der heiligsten Dreifaltigkeit. Dies ist das mysterium fidei, das in der Eucharistie gegenwärtig wird: die Welt, die aus den Händen des Schöpfergottes hervorgegangen ist, kehrt als von Christus erlöste Welt zu Gott zurück.“ Wissen wir als einfach gläubige Katholiken heute die Schönheit der heiligen Messe wertzuschätzen? Sind wir dankbar, dass wir eingeladen sind, Eucharistie zu feiern? Ist uns das Kreuzesopfer gegenwärtig, wenn wir kniend vor Gott kauern und die Feier der heiligen Geheimnisse folgen? Johannes Paul II. erklärt: „Die Eucharistie ist die heilbringende Gegenwart Jesu in der Gemeinschaft der Gläubigen und ihre geistliche Nahrung, sie ist das wertvollste Gut, das die Kirche auf ihrem Weg durch die Geschichte haben kann.“ Dankbar ist der heilige Papst auch für die Liturgiereform, wenngleich er nicht Missbräuche verschweigt. Das eucharistische Mysterium werde auch „seines Opfercharakters beraubt und in einer Weise vollzogen, als ob es den Sinn und den Wert einer brüderlichen Mahlgemeinschaft nicht übersteigen würde“. Wir alle kennen wohl selbstgebastelte Hochgebete und Gottesdienste, die mehr an weltliche Theaterdarbietungen erinnern. Johannes Paul II. bekundet seinen „tiefen Schmerz“ darüber: „Die Eucharistie ist ein zu großes Gut, um Zweideutigkeiten und Verkürzungen zu dulden.“ Deutlich stellt er darum klar: „Die Kirche hat die Eucharistie von Christus, ihrem Herrn, nicht als eine kostbare Gabe unter vielen anderen erhalten, sondern als die Gabe schlechthin, da es die Gabe seiner selbst ist, seiner Person in seiner heiligen Menschheit wie auch seines Erlösungswerkes. … Was hätte Jesus noch mehr für uns tun können? In der Eucharistie zeigt er uns wirklich eine Liebe, die »bis zur Vollendung« (Joh 13, 1) geht, eine Liebe, die kein Maß kennt.“ Von diesem Erlösungsopfer lebe die Kirche. Mit klaren Worten wendet sich Johannes Paul II. gegen jede modernistische Verkleinerung, in der das Opfer des Herrn als eine bloße Mahlfeier vorgestellt wird. Wer das Opfer auf ein Mahl reduziert, leugnet die Verbindung der Eucharistie mit dem Kreuz: „Kraft ihrer innigen Beziehung mit dem Opfer von Golgota ist die Eucharistie Opfer im eigentlichen Sinn, und nicht nur in einem allgemeinen Sinn, als ob es sich um eine bloße Hingabe Christi als geistliche Speise an die Gläubigen handelte.“ Ist uns das bewusst, wenn wir den Leib Christi empfangen? „In Fülle verwirklicht sich die heilbringende Wirkung des Opfers, wenn wir in der Kommunion den Leib und das Blut des Herrn empfangen. Das eucharistische Opfer ist in sich auf die innige Gemeinschaft von uns Gläubigen mit Christus in der Kommunion ausgerichtet: Wir empfangen ihn selbst, der sich für uns hingegeben hat, seinen Leib, den er für uns am Kreuz dargebracht hat, sein Blut, das er »für viele« vergossen hat »zur Vergebung der Sünden« (Mt 26, 28).“ Die Feier der heiligen Eucharistie verbindet Himmel und Erde: „Die Eucharistie ist wirklich ein Aufbrechen des Himmels, der sich über der Erde öffnet. Sie ist ein Strahl der Herrlichkeit des himmlischen Jerusalem, der die Wolken unserer Geschichte durchdringt und Licht auf unseren Weg wirft.“ Auch darum feiern wir Eucharistie, hergeleitet vom griechischen Begriff „Eucharistomen“, d. h.: „Wir sagen Dank.“ Quelle: CNA Deutsch,  11. September, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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Sehnsucht nach der Wahrheit

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 32 Licht und Kruzifix Foto: K. Mitch Hodge / Unsplash (CC0) Auf das „Licht der Vernunft“ vertrauen Philosophen gestern und heute, aber Johannes Paul II. hat den oft unbemerkt verengten Horizont des säkularen Denkens erkannt und – anders als etwa die Vertreter der Aufklärungsphilosophie – betont, dass der Glaube den „inneren Blick“ schärft und dem Verstand eine neue Offenheit schenkt, um „im Strom der Ereignisse die tätige Gegenwart der Vorsehung zu entdecken“. So bekräftigt er in seiner Enzyklika „Fides et ratio“: „Man könnte sagen, der Mensch vermag mit dem Licht der Vernunft seinen Weg zu erkennen, kann ihn aber nur dann rasch und ohne Hindernisse zu Ende gehen, wenn er mit redlichem Herzen sein Forschen in den Horizont des Glaubens einfügt. Vernunft und Glaube lassen sich daher nicht voneinander trennen, ohne daß es für den Menschen unmöglich wird, sich selbst, die Welt und Gott in entsprechender Weise zu erkennen.“ Vernunft und Glaube gehören zueinander. Es sei vernünftig, „Gottes souveräne Transzendenz und zugleich seine sorgende Liebe bei der Lenkung der Welt“ anzuerkennen. Wer nicht die Grenzen der Erkenntnis akzeptiere, bilde sich ein, vieles zu wissen, verkenne aber das Wesentliche. Was mit der Vernunft erkannt werde, erlange erst seine volle Bedeutung im „Horizont des Glaubens“: „Die Tiefgründigkeit der geoffenbarten Weisheit sprengt den Zirkel unserer üblichen Denkschemata, die keinesfalls in der Lage sind, sie adäquat wiederzugeben. … Die Vernunft kann das Geheimnis, das das Kreuz darstellt, nicht der Liebe entleeren; stattdessen kann das Kreuz der Vernunft die letzte Antwort geben, nach der sie sucht.“ Der gekreuzigte und auferstandene Christus zeigt die „Grenze zwischen Vernunft und Glaube“, aber von hier aus könne das „unendliche Meer der Wahrheit“ erkundet werden. Auch heute fragt der Mensch nach dem Guten, nach dem Großen, nach der Wahrheit und sucht „nach einer endgültigen Erklärung, nach einem höchsten Wert, über den hinaus es weitere Fragen oder Verweise weder gibt noch geben kann“. Der heilige Papst legt dar: „Die Sehnsucht nach der Wahrheit wurzelt so tief im Herzen des Menschen, daß das Abstandnehmen davon die Existenz gefährden würde. Es genügt schließlich die Beobachtung des Alltagslebens um festzustellen, daß jeder von uns die quälende Last einiger wesentlicher Fragen in sich trägt und zugleich in seinem Herzen zumindest den Entwurf der dazugehörigen Antworten hütet. Es sind Antworten, von deren Wahrheit man auch deshalb überzeugt ist, weil man die Erfahrung macht, daß sie sich im wesentlichen nicht von den Antworten unterscheiden, zu denen viele andere gelangt sind. Sicherlich besitzt nicht jede Wahrheit, die erworben wird, denselben Wert. Von der Gesamtheit der erreichten Ergebnisse wird jedoch die Fähigkeit des Menschen bestätigt, grundsätzlich zur Wahrheit zu gelangen.“ So stehe die „»Wahrheit«, die uns Gott in Jesus Christus offenbart, nicht im Widerspruch zu den Wahrheiten, zu denen man durch das Philosophieren gelangt“: „Die beiden Erkenntnisordnungen führen ja erst zur Wahrheit in ihrer Fülle.“ Johannes Paul II. weist besonders darauf hin, dass das Christentum – und nicht etwa die Philosophie und Kultur der Antike – die wesentliche Aufklärungsbewegung der Menschheit darstellt. Kein Grund besteht darin, die Sklavenhaltergesellschaften des Altertums zu verklären, in denen weder Päderastie noch Kindstötung verboten waren – und die Gattin als Eigentum des Ehemannes galt. Das Christentum bestätigt das Recht aller „auf Zugang zur Wahrheit“: „Das Christentum hatte nach dem Niederreißen der durch Rasse, sozialen Stand und Geschlecht bedingten Schranken von Anfang an die Gleichheit aller Menschen vor Gott verkündet. Die erste Konsequenz dieser Auffassung wandte man auf das Thema Wahrheit an. Der elitäre Charakter, den die Wahrheitssuche bei den Alten hatte, wurde mit Entschlossenheit überwunden: Da der Zugang zur Wahrheit ein Gut ist, das es ermöglicht, zu Gott zu gelangen, müssen alle in der Lage sein, diesen Weg gehen zu können.“ Der heilige Papst würdigt die einzelnen Etappen der Begegnung von Vernunft und Glaube. Insbesondere das Werk Thomas von Aquins. Dieser habe die „Harmonie“ beider gezeigt: „Das Licht der Vernunft und das Licht des Glaubens kommen beide von Gott, lautete sein Argument; sie können daher einander nicht widersprechen.“ In der Moderne hingegen sei der „atheistische Humanismus“ weit verbreitet, ebenso die „Philosophie des Nichts“, des Nihilismus, die einen gefährlichen Zauber ausübe. So wie die Denker der Kritischen Theorie, man denke an Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, übt der Papst Kritik an der zeitgenössischen Philosophie: „Statt auf die Anschauung der Wahrheit und die Suche nach dem letzten Ziel und dem Sinn des Lebens sind diese Formen der Vernünftigkeit als »instrumentale Vernunft« darauf ausgerichtet, utilitaristischen Zielen, dem Genuß oder der Macht zu dienen.“ In diesem Sinne führt Johannes Paul II. weiter aus: „Der Glaube, dem die Vernunft fehlt, hat Empfindung und Erfahrung betont und steht damit in Gefahr, kein universales Angebot mehr zu sein. Es ist illusorisch zu meinen, angesichts einer schwachen Vernunft besitze der Glaube größere Überzeugungskraft; im Gegenteil, er gerät in die ernsthafte Gefahr, auf Mythos bzw. Aberglauben verkürzt zu werden. In demselben Maß wird sich eine Vernunft, die keinen reifen Glauben vor sich hat, niemals veranlaßt sehen, den Blick auf die Neuheit und Radikalität des Seins zu richten. Nicht unangebracht mag deshalb mein entschlossener und eindringlicher Aufruf erscheinen, daß Glaube und Philosophie die tiefe Einheit wiedererlangen sollen, die sie dazu befähigt, unter gegenseitiger Achtung der Autonomie des anderen ihrem eigenen Wesen treu zu sein. Der parrhesia (Freimütigkeit) des Glaubens muß die Kühnheit der Vernunft entsprechen.“ Johannes Paul II. wirbt für eine „echte Erneuerung des philosophischen Denkens“. Es sei wünschenswert, „daß sich Theologen und Philosophen von der einzigen Autorität der Wahrheit leiten lassen und eine Philosophie erarbeiten, die im Einklang mit dem Wort Gottes steht“: „Diese Philosophie wird der Boden für die Begegnung zwischen den Kulturen und dem christlichen Glauben sein, der Ort der Verständigung zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden. Sie wird hilfreich sein, damit sich die Gläubigen aus nächster Nähe davon überzeugen, daß die Tiefe und Unverfälschtheit des Glaubens gefördert wird, wenn er sich mit dem Denken verbindet und nicht darauf verzichtet.“ Mit großer Zuversicht schreibt Johannes Paul II.: „Dank der Vermittlung einer zu echter Weisheit gewordenen Philosophie wird der heutige

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Der wahre Leitstern

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 31 Illustration Foto: Jonathan Duran / Unsplash (CC0) In „Fides et ratio“ erinnert Johannes Paul II. daran, dass „jede von der Kirche angestellte Reflexion“ ausnahmslos „auf der Grundlage des Bewußtseins“ erfolge, „Verwahrerin einer Botschaft zu sein, die ihren Ursprung in Gott selbst hat“: „Die Erkenntnis, die sie dem Menschen anbietet, rührt nicht aus ihrem eigenen Nachdenken her, und wäre es noch so erhaben, sondern aus dem gläubigen Hören des Wortes Gottes (vgl. 1 Thess 2, 13).“ Der Glaube setzt die Offenbarung des lebendigen Gottes voraus, beruhe auf einer „völlig ungeschuldeten Initiative, die von Gott ausgeht, um die Menschheit zu erreichen und zu retten“: „Gott als Quelle der Liebe will sich zu erkennen geben, und die Erkenntnis, die der Mensch von Ihm hat, bringt jede andere wahre Erkenntnis über den Sinn seiner eigenen Existenz zur Vollendung, zu der sein Verstand zu gelangen vermag.“ Der Mensch kann sich an Meinungen und Weltanschauungen binden und diese für wahr halten, aber dadurch werden sie nicht wahr. Die Wahrheit kann er sich nicht ausdenken: „Die Wahrheit, die Gott dem Menschen über sich und über sein Leben übergeben hat, ist eingebettet in Zeit und Geschichte. Sie ist natürlich ein für allemal im Geheimnis des Jesus von Nazaret verkündet worden.“ Die Geschichte werde zu dem Ort, an dem Gottes Handeln für die Menschheit erkennbar werde: „Die Menschwerdung Gottes erlaubt es, die ewige und endgültige Synthese vollzogen zu sehen, die sich der menschliche Geist von sich aus nicht einmal hätte vorstellen können: das Ewige geht ein in die Zeit, das Ganze verbirgt sich im Bruchstück, Gott nimmt die Gestalt des Menschen an. Die in der Offenbarung Christi zum Ausdruck gekommene Wahrheit ist somit nicht mehr in einen engen territorialen und kulturellen Bereich eingeschlossen, sondern öffnet sich jedem Mann und jeder Frau, der die sie als ein für allemal gültiges Wort annehmen will, um dem Dasein Sinn zu geben.“ Ist uns dies heute bewusst? Staunen wir vor dem Geheimnis des Glaubens? Beten wir den Herrn im Sakrament an? Folgen wir in Demut und Liebe treu der Kirche des Herrn und den Geboten? Oder leben wir so, als ob es Gott nicht gäbe? Johannes Paul II. schreibt, dass das Geheimnis Gottes bleibe und nicht gänzlich offenbar werde, aber dass der Mensch gläubig „seine Zustimmung zu diesem göttlichen Zeugnis“ gebe: „Das heißt, er anerkennt voll und ganz die Wahrheit dessen, was geoffenbart wurde, weil Gott selbst sich zu ihrem Garanten macht. Diese dem Menschen geschenkte und von ihm nicht einforderbare Wahrheit fügt sich in den Horizont der interpersonalen Kommunikation ein. Sie drängt die Vernunft, sich der Wahrheit zu öffnen und ihren tiefen Sinn anzunehmen. Darum ist der Akt, mit dem man sich Gott anvertraut, von der Kirche stets als ein grundlegender Entscheidungsvorgang angesehen worden, in den die ganze Person eingebunden ist. Verstand und Wille setzen bis zum äußersten ihre geistige Natur ein, um dem Subjekt den Vollzug eines Aktes zu erlauben, in dem die persönliche Freiheit im Vollsinn gelebt wird. Im Glauben ist also die Freiheit nicht einfach nur da; sie ist gefordert. Ja, der Glaube ermöglicht es einem jeden, seine Freiheit bestmöglich zum Ausdruck zu bringen. Mit anderen Worten, die Freiheit verwirklicht sich nicht in Entscheidungen gegen Gott.“ Die Vernunft versuche das Geheimnis zu verstehen, aber die rechte Einsicht eher die bleibend „verborgene Wahrheit …, auf die der Verstand verwiesen wird und von der er nicht absehen kann, ohne das ihm angebotene Zeichen selbst zu zerstören“ – die Wahrheit ist gegenwärtig im Allerheiligsten Sakrament des Altares: „Die Glaubenserkenntnis hebt also das Geheimnis nicht auf; sie macht es nur einsichtiger und offenbart es als für das Leben des Menschen wesentliche Tatsache.“ Nicht weltliche Denkansätze, nicht die verweltlichten Theologien und subjektive Religionsphilosophien, sondern die „christliche Offenbarung ist der wahre Leitstern für den Menschen zwischen den Bedingtheiten der immanentistischen Denkweise und den Verengungen einer technokratischen Logik; sie ist die äußerste von Gott angebotene Möglichkeit, um den ursprünglichen Plan der Liebe, der mit der Schöpfung begonnen hat, vollständig wiederzufinden“: „Dem Menschen, der sich nach Erkenntnis des Wahren sehnt, wird, sofern er noch imstande ist, den Blick über sich selbst und die eigenen Pläne hinaus zu erheben, die Möglichkeit gegeben, das natürliche Verhältnis zu seinem Leben dadurch wiederzugewinnen, daß er den Weg der Wahrheit geht.“ So bekräftigt der heilige Papst: „Die Wahrheit, welche die Offenbarung uns erkennen läßt, ist nicht die reife Frucht oder der Höhepunkt eines von der Vernunft aufbereiteten Denkens. Sie erscheint hingegen mit dem Wesensmerkmal der Ungeschuldetheit, bringt Denken hervor und fordert, als Ausdruck der Liebe angenommen zu werden. Diese geoffenbarte Wahrheit ist in unsere Geschichte gelegte Vorwegnahme jener letzten und endgültigen Anschauung Gottes, die denen vorbehalten ist, die an ihn glauben oder ihn mit aufrichtigem Herzen suchen.“ In diesen Glauben wachsen wir als Christen unser ganzes Leben hindurch hinein, in Gemeinschaft mit unserer Familie, mit den Schwestern und Brüdern im Glauben, mit den Heiligen, mit der Gottesmutter Maria. Gott bettelt um unsere Liebe – bis in die Sterbestunde hinein, wenn er uns das große Amen zuspricht und wir für immer nach Hause gehen dürfen. Quelle: CNA Deutsch,  28. August, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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Über Philosophie und Wahrheit

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 30 Die Tür zur Erkenntnis; Foto: Etienne Girardet / Unsplash (CC0) Vielen Menschen, ob gläubig oder nicht, gilt Johannes Paul II. noch heute als der Philosoph auf dem Stuhl Petri. Geschuldet ist dies nicht nur seinen Schriften, die er als Gelehrter in Krakau verfasst hat, sondern auch der großen Enzyklika „Fides et ratio“, die am 14. September 1998 publiziert wurde. Dort bezeichnet der heilige Papst Glaube und Vernunft als die „beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt“. Über Wahrheit wurde bereits vor über zwanzig Jahren – in Theologie wie Philosophie – nicht nur diskutiert, sondern der objektive Wahrheitsbegriff ist in beiden Disziplinen auch diskreditiert und relativiert worden. Johannes Paul II. erinnert an die Grundfragen des Menschen: „Wer bin ich? Woher komme ich und wohin gehe ich? Warum gibt es das Böse? Was wird nach diesem Leben sein? … Es sind Fragen, die ihren gemeinsamen Ursprung in der Suche nach Sinn haben, die dem Menschen seit jeher auf der Seele brennt: von der Antwort auf diese Fragen hängt in der Tat die Richtung ab, die das Dasein prägen soll.“ Werden diese Fragen heute noch ernst genommen? Bisweilen scheint es so zu sein, als ob Kirche und Theologie nicht einen ernstzunehmenden Dialog suchen, sondern sich hermetisch gegenüber der Wahrheitsfrage abschotten und stattdessen den Winden des Zeitgeistes folgen. Johannes Paul II. bekräftigt, dass die Kirche sich an Jesus Christus zu orientieren habe, damit also einen „Dienst an der Wahrheit“ notwendig leisten müsse. Die Philosophie gehöre zu den „vornehmsten Aufgaben der Menschheit“, mit ihr ist die Theologie verbunden. Die Philosophie zeige, „daß das Streben nach Wahrheit zur Natur des Menschen gehört“: „Es ist eine seiner Vernunft angeborene Eigenschaft, sich nach dem Ursprung der Dinge zu fragen, auch wenn sich die nach und nach gegebenen Antworten in einen Horizont einfügen, der die Komplementarität der verschiedenen Kulturen, in denen der Mensch lebt, deutlich macht.“ Aber Philosophie genügt nicht, selbst wenn sie – besonders für Johannes Paul II. selbst – eine große Bereicherung darstellt: „Die dem menschlichen Geist eigentümliche Fähigkeit zum spekulativen Denken führt durch die philosophische Betätigung zur Ausbildung einer Form strengen Denkens und so, durch die logische Folgerichtigkeit der Aussagen und die Geschlossenheit der Inhalte, zum Aufbau eines systematischen Wissens. Dank dieses Prozesses wurden in verschiedenen kulturellen Umfeldern und in verschiedenen Epochen Ergebnisse erzielt, die zur Ausarbeitung echter Denksysteme geführt haben. Dadurch war man im Laufe der Geschichte immer wieder der Versuchung ausgesetzt, eine einzige Strömung mit dem gesamten philosophischen Denken gleichzusetzen.“ Zugleich stellt er fest: „Ganz offenkundig tritt jedoch in diesen Fällen ein gewisser »philosophischer Hochmut« auf den Plan, der Anspruch darauf erhebt, die aus seiner eigenen Perspektive stammende, unvollkommene Sicht zur allgemeinen Lesart zu erheben. In Wirklichkeit muß jedes philosophische System, auch wenn es ohne jegliche Instrumentalisierung in seiner Ganzheit anerkannt wird, dem philosophischen Denken die Priorität zuerkennen, von dem es seinen Ausgang nimmt und dem es folgerichtig dienen soll.“ Eine Philosophie, die sich von der Bindung an oder der Ausrichtung auf Gott hin löst, verfällt dem Säkularismus und wird zu einer Apologie des Relativismus, etwa in Fragen der Ethik, wenn Argumentationsstrategien vorherrschen und der Mensch als Maß aller Dinge auftritt. Die Verbindung von Vernunft und Glaube ist nicht nur zu begrüßen, sie ist auch notwendig. Die Kirche sehe „in der Philosophie den Weg, um Grundwahrheiten zu erkennen, welche die Existenz des Menschen betreffen“ und betrachte diese „als unverzichtbare Hilfe, um das Glaubensverständnis zu vertiefen und die Wahrheit des Evangeliums allen, die sie noch nicht kennen, mitzuteilen“. Ebenso eindeutig aber positioniert sich Johannes Paul II. gegen die Versuchungen auf dem Feld des Denkens. Der Positivismus ist eine große Gefahr. Bedrohlich erscheint der Relativismus, in dem der Mensch und seine subjektiven Meinungen glorifiziert werden: „Die moderne Philosophie hat das Fragen nach dem Sein vernachlässigt und ihr Suchen auf die Kenntnis vom Menschen konzentriert. Anstatt von der dem Menschen eigenen Fähigkeit zur Wahrheitserkenntnis Gebrauch zu machen, hat sie es vorgezogen, deren Grenzen und Bedingtheiten herauszustellen. Daraus entstanden verschiedene Formen von Agnostizismus und Relativismus, die schließlich zur Folge hatten, daß sich das philosophische Suchen im Fließsand eines allgemeinen Skeptizismus verlor. In jüngster Zeit haben dann verschiedene Lehren Bedeutung erlangt, die sogar jene Wahrheiten zu entwerten trachten, die erreicht zu haben für den Menschen eine Gewißheit war. Die legitime Pluralität von Denkpositionen ist einem indifferenten Pluralismus gewichen, der auf der Annahme fußt, alle Denkpositionen seien gleichwertig: Das ist eines der verbreitetsten Symptome für das Mißtrauen gegenüber der Wahrheit, das man in der heutigen Welt feststellen kann.“ Dieses Misstrauen ist weit verbreitet, und es hat in den letzten 25 Jahren noch zugenommen, mit irritierenden und gefährlichen Folgen, die bis hin – man denke an die ideologischen Formen der Gendertheorie – ur Auflösung des christlichen Menschenbildes führen. Johannes Paul II. bekräftigt die „Notwendigkeit des Nachdenkens über die Wahrheit“ und beruft sich dabei auf das Zweite Vatikanische Konzil: „Die Wahrheit zu bezeugen ist also eine Aufgabe, die uns Bischöfen übertragen wurde; ihr können wir uns nicht versagen, ohne das Amt, das wir erhalten haben, zu vernachlässigen. Durch neuerliche Bekräftigung der Glaubenswahrheit können wir dem Menschen unserer Zeit wieder echtes Vertrauen in seine Erkenntnisfähigkeiten geben und der Philosophie eine Herausforderung bieten, damit sie ihre volle Würde wiedererlangen und entfalten kann.“ Dass die Bischöfe Zeugnis für die Wahrheit ablegen – das wünschen sich Weltchristen heute in aller Welt. Quelle: CNA Deutsch,  21. August, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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Ökumene und Gebet

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 29 Kreuz Foto: Nicolas Peyrol / Unsplash (CC0) Nur zwei Monate nach „Evangelium vitae“ publizierte der hl. Johannes Paul II. am 25. Mai 1995 die nächste Enzyklika – „Ut unum sint„. Es ist ein ermutigendes Dokument zur Ökumene, ein Bekenntnis zur christlichen Brüderlichkeit und zugleich eine Bekräftigung der römisch-katholischen Lehre. Johannes Paul II. wusste, dass die Trennung der Christenheit ein tiefer Schmerz ist, aber er wusste auch, dass jeder weltlich noch so sympathische Versuch, wie dieser in heutigen Dokumenten in Deutschland zum Ausdruck kommt – ein Beispiel dafür ist das Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ –, Gemeinschaft unter Christen eigenmächtig und selbstständig herzustellen, bestehende Spaltungen vertieft. Was verbindet Christen? Johannes Paul II. antwortet: „Das Kreuz!“ – und Christen, die zum Kreuz stehen, werden zum Ärgernis für die Welt, erregen Anstoß: „Die antichristliche Strömung setzt sich zum Ziel, den Wert des Kreuzes zu zerstören, es seiner Bedeutung zu entleeren, indem sie leugnet, daß der Mensch in ihm die Wurzeln seines neuen Lebens hat; indem sie behauptet, das Kreuz vermöge weder Aussichten noch Hoffnungen zu nähren: der Mensch, so heißt es, ist nur ein irdisches Wesen, das so leben soll, als ob es Gott nicht gäbe.“ Die römisch-katholische Kirche, die orthodoxen Kirchen und die Kirchengemeinschaften der Reformation stehen vor der Herausforderung durch Apostasie, Relativismus und Gleichgültigkeit. Der heilige Papst wirbt dafür, die „Divergenzen in den Lehrmeinungen“ zu lösen und erinnert an die Notwendigkeit des Gebetes für die Einheit der Kirche. Die Erneuerung in Christus ist unverzichtbar: „Dazu braucht es einen ruhigen und klaren, der Wahrheit verpflichteten und von der göttlichen Barmherzigkeit belebten Blick, der imstande ist, den Geist zu befreien und in einem jeden eine neue Bereitschaft zu wecken im Hinblick auf die Verkündigung des Evangeliums an die Menschen jedes Volkes und jeder Nation.“ Die römisch-katholische Kirche ist zur Treue gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzil verpflichtet, die eine christozentrische Erneuerung und eine Bekehrung jedes Einzelnen gefordert hat: „Im Lehramt des Konzils besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Erneuerung, Bekehrung und Reform.“ Welche Art Reform aber ist konzilsgemäß und entspricht der Lehre der Kirche? Der heilige Papst klärt auf: „Es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, das Glaubensgut zu modifizieren, die Bedeutung der Dogmen zu ändern, wesentliche Worte aus ihnen zu streichen, die Wahrheit an den Zeitgeschmack anzupassen, bestimmte Artikel aus dem Credo zu streichen mit der falschen Vorgabe, sie würden heute nicht mehr verstanden. Die von Gott gewollte Einheit kann nur in der gemeinsamen Zustimmung zur Unversehrtheit des Inhalts des geoffenbarten Glaubens Wirklichkeit werden. Was den Glauben betrifft, steht der Kompromiß im Widerspruch zu Gott, der die Wahrheit ist.“ Der Glaube an Gott ist nicht Verhandlungssache, ebenso wenig der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle Konfessionen und vielleicht auch Religionen verständigen könnten. Johannes Paul II. wirbt für eine Vertiefung der Brüderlichkeit im gemeinsamen Gebet der Konfessionen: „Man schreitet auf dem Weg, der zur Bekehrung der Herzen führt, zum Rhythmus der Liebe voran, die sich Gott und zugleich den Brüdern zuwendet: allen Brüdern, auch jenen, die sich nicht in voller Gemeinschaft mit uns befinden. Aus der Liebe entsteht die Sehnsucht nach der Einheit auch bei denen, die das Erfordernis der Einheit stets ignoriert haben. Die Liebe ist Baumeisterin der Gemeinschaft unter den Menschen und unter den Gemeinschaften. Wenn wir uns lieben, sind wir bestrebt, unsere Gemeinschaft zu vertiefen, sie auf die Vollkommenheit hin auszurichten. Die Liebe wendet sich an Gott als vollkommene Quelle der Gemeinschaft — die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes —, um daraus die Kraft zu schöpfen, die Gemeinsamkeit unter den Menschen und Gemeinschaften zu wecken oder sie unter den getrennten Christen wiederherzustellen. Die Liebe ist der tiefe Strom, der den Prozeß auf die Einheit hin belebt und mit Kraft erfüllt. Diese Liebe findet ihren vollendetsten Ausdruck im gemeinsamen Gebet.“ Der Weg der Ökumene sei der Weg eines gemeinsamen Betens: „Schließlich führt die Gebetsgemeinschaft dazu, die Kirche und das Christentum mit neuen Augen zu sehen. Man darf nämlich nicht vergessen, daß der Herr vom Vater die Einheit seiner Jünger erfleht hat, damit sie Zeugnis gäbe von seiner Sendung und die Welt glauben könnte, daß der Vater ihn gesandt hatte (vgl. Joh 17, 21). Man kann sagen, daß die ökumenische Bewegung in gewissem Sinne ihren Ausgang von der negativen Erfahrung derer genommen hat, die sich bei der Verkündigung des einen Evangeliums jeweils auf ihre Kirche oder kirchliche Gemeinschaft beriefen; ein Widerspruch, der keinem entgehen konnte, der die Heilsbotschaft hörte, und der darin ein Hindernis für die Annahme des Evangeliums fand. Leider ist dieses schwerwiegende Hindernis noch nicht überwunden. Es ist wahr, wir befinden uns noch nicht in voller Gemeinschaft. Doch trotz unserer Spaltungen befinden wir uns auf dem Weg zur vollen Einheit, jener Einheit, die die apostolische Kirche in ihren Anfängen kennzeichnete und nach der wir aufrichtig suchen: unser vom Glauben geleitetes gemeinsames Gebet ist dafür ein Beweis. Zu ihm versammeln wir uns im Namen Christi, der Einer ist. Er ist unsere Einheit.“ Nur auf dem Weg des Gebetes kann die Nähe wachsen, nicht nur durch noch so gutgemeinte und von der Lehre der Kirche nicht gedeckte Aktionen – wie etwa eine beliebige Zulassung zum Empfang der Hl. Kommunion für alle Christen, die sich eingeladen fühlen. Die Ökumene, daran erinnert Johannes Paul II. leidenschaftlich, bedarf des Dialogs, und die Gemeinschaft wächst nur in, mit und durch Christus. Darum sind Christen aller Konfessionen berufen, für die Einheit der Kirche zu beten. Quelle: CNA Deutsch,  14. August, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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Die Familie – Heiligtum des Lebens

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 28 Illustration Foto: Jessica Rockwitz / Unsplash (CC0) In seiner großen Enzyklika „Evangelium vitae“ kommt der hl. Johannes Paul II. – und wie könnte es anders sein – nicht auf neue Familien- und Partnerschaftsmodelle zu sprechen, sondern auf die naturrechtlich wie biblisch gegründete christliche Familie. Er erörtert die „Verantwortlichkeit, die dem der Familie eigenen Wesen — nämlich auf die Ehe gegründete Lebens- und Liebesgemeinschaft zu sein“: „Es geht um die Liebe Gottes selbst, dessen Mitwirkende und gleichsam Interpreten seiner Liebe die Eltern sind, wenn sie dem Plan des Vaters entsprechend das Leben weitergeben und erziehen. Die Liebe wird somit zu unentgeltlichem Dienst, zu Aufnahme, zum Geschenk: in der Familie wird ein jeder anerkannt, geachtet und geehrt, weil er Person ist, und wenn einer es nötig hat, wird ihm intensivere und aufmerksamere Fürsorge zuteil.“ Der „Aufbau der Kultur des Lebens“ erfordere die Familie notwendig, diese sei entscheidend und unersetzlich. Die Familie ist auch die Stätte des Gebetes, der Ort der Geborgenheit und Schutzraum der für einander Sorge tragenden Personen. Die Eltern kümmern sich in Liebe und Dankbarkeit um die Kinder, und die Kinder begleiten am Ende der Wegstrecke ihre Eltern. Verbunden ist die Familie als Hauskirche in Gott und eingebettet in das Leben der Kirche: „Als Hauskirche ist die Familie aufgerufen, das Evangelium vom Leben zu verkünden, zu feiern und ihm zu dienen.“ So ist die Familie auch ein Ort der Verkündigung: „Durch das Wort und das Beispiel in den täglichen Beziehungen und Entscheidungen und durch konkrete Gesten und Zeichen führen die Eltern ihre Kinder in die echte Freiheit ein, die sich in der aufrichtigen Selbsthingabe verwirklicht, und bilden in ihnen die Achtung vor dem anderen, den Gerechtigkeitssinn, die herzliche Aufnahme, den Dialog, den großzügigen Dienst, die Solidarität und jeden anderen Wert aus, der helfen soll, das Leben als ein Geschenk zu leben.“ Unverzichtbar ist das „tägliche Gebet“, für jeden persönlich und in der Gemeinschaft der Familie. Das Gebet stärkt in der Hoffnung. Es festigt auch die Bande untereinander und die Beziehung zu Gott: „Aber die Feier, die jeder anderen Gebets- und Kultform erst Sinn gibt, ist diejenige, die sich im alltäglichen Dasein der Familie ausdrückt, wenn es denn ein Dasein ist, das von Liebe und Sich-Verschenken bestimmt wird.“ In der Familie finden auch die alten Menschen ihren Platz und ihr Zuhause. Der heilige Papst nennt es unerträglich, wenn die betagten Familienmitglieder als Last empfunden werden: „Die Abschiebung oder gar Ablehnung der alten Menschen ist unerträglich. Ihre Anwesenheit in der Familie oder wenigstens die Nähe der Familie zu ihnen, wenn es wegen beengter Wohnverhältnisse oder aus anderen Gründen keine realen Alternativen zum Krankenhaus oder Altenheim geben sollte, sind von grundlegender Bedeutung, um ein Klima gegenseitigen Austausches und bereichernder Kommunikation zwischen den verschiedenen Altersgruppen herzustellen. … Der alte Mensch ist nicht nur als Objekt der Aufmerksamkeit, der Nähe und des Dienstes zu betrachten. Auch er hat einen wertvollen Beitrag zum Evangelium vom Leben zu leisten. Dank des im Laufe der Jahre erworbenen reichen Erfahrungsschatzes kann und muß er einer sein, der Weisheit weitergibt sowie Zeugnis von Hoffnung und Liebe ablegt.“ Die Berufung der Familie liege darin, „Heiligtum des Lebens“ zu sein. Aber fördert die Kirche heute, wie Johannes Paul II. fordert, die Familienpastoral? Macht sie jungen Familien Mut, ihre „Sendungen gegenüber dem Evangelium“ neu zu entdecken und zu leben? Der „Synodale Weg“ in Deutschland bietet mit seinen Modellen, Initiativen und Foren eher ein Zerrbild dessen, was Johannes Paul II. und auch seine Amtsnachfolger gefordert haben – vom Lebensschutz ist nicht die Rede, von einer Erneuerung der Familienpastoral und -katechese in Christus auch nicht. Mit deutlichen Worten äußerte sich der Papst 1993: „Im heutigen gesellschaftlichen Kontext, der von einem dramatischen Kampf zwischen der »Kultur des Lebens« und der »Kultur des Todes« gekennzeichnet ist, muß man einen starken kritischen Geist zum Reifen bringen, der die wahren Werte und die echten Erfordernisse zu erkennen in der Lage ist. … Die Dringlichkeit dieser kulturellen Wende hängt mit der historischen Situation zusammen, in der wir uns befinden, aber sie wurzelt vor allem im Evangelisierungsauftrag, der wesenhaft zur Kirche gehört.“ Der Ungeist des moralischen Subjektivismus reiche bis weit in die Kirche hinein, ebenso der Mangel an der notwendigen Klarheit über die Wahrheit des christlichen Glaubens. Wir dürfen mit dem heiligen Johannes Paul II. um den Beistand Marias bitten – für das Leben: „O Maria,  Morgenröte der neuen Welt,  Mutter der Lebendigen,  Dir vertrauen wir die Sache des Lebens an:  o Mutter, blicke auf die grenzenlose Zahl  von Kindern, denen verwehrt wird,  geboren zu werden,  von Armen, die es schwer haben zu leben,  von Männern und Frauen,  die Opfer unmenschlicher Gewalt wurden,  von Alten und Kranken,  die aus Gleichgültigkeit  oder angeblichem Mitleid getötet wurden.  Bewirke, daß alle,  die an deinen Sohn glauben,  den Menschen unserer Zeit  mit Freimut und Liebe  das Evangelium vom Leben verkünden können.  Vermittle ihnen die Gnade, es anzunehmen  als je neues Geschenk  die Freude, es über ihr ganzes Dasein hinweg  in Dankbarkeit zu feiern,  und den Mut, es mit mühseliger Ausdauer  zu bezeugen,  um zusammen mit allen Menschen  guten Willens  die Zivilisation der Wahrheit und der Liebe  zu errichten,  zum Lob und zur Herrlichkeit Gottes,  des Schöpfers und Freundes des Lebens. Amen.“ Quelle: CNA Deutsch,  7. August, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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Für das Leben – wider Euthanasie und Abtreibung

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 27 Illustration Foto: Cristian Escobar / Unsplash (CC0) Eine Gesellschaft, die sich aufgeschlossen für die Versuchungen der Weltlichkeit zeigt, die sogenannte Lebensqualität mit Lustgewinn identifiziert und sich der Transzendenz verschließt, wird in der „Erfahrung des Lebens“ und bei der Begegnung mit dem „Geheimnis des Todes“ nicht von der Kraft des Glaubens getragen. Johannes Paul II. spricht in der Enzyklika „Evangelium vitae“ vom „Drama der Euthanasie“: „Denn wenn die Neigung vorherrscht, das Leben nur in dem Maße zu schätzen, wie es Vergnügen und Wohlbefinden mit sich bringt, erscheint das Leiden als eine unerträgliche Niederlage, von der man sich um jeden Preis befreien muss.“ Der Mensch tritt auf, als sei er das Maß aller Dinge, als könne er „in voller und vollständiger Autonomie über sein Leben entscheiden“. Über Sterbehilfe wird häufig wohlwollend gesprochen, als sei die Beihilfe zum Suizid ein Akt des Mitgefühls. Mit klaren Worten bezieht der heilige Papst gegen jede Form der Euthanasie Stellung: „Wir stehen hier vor einem der alarmierendsten Symptome der »Kultur des Todes«, die vor allem in den Wohlstandsgesellschaften um sich greift, die von einem Leistungsdenken gekennzeichnet sind, das die wachsende Zahl alter und geschwächter Menschen als zu belastend und unerträglich erscheinen lässt.“ Johannes Paul II. bekräftigt aber die Lehre der Kirche, dass „Euthanasie eine schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes ist, insofern es sich um eine vorsätzliche Tötung einer menschlichen Person handelt, was sittlich nicht zu akzeptieren ist“: „Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche gelehrt. Eine solche Handlung setzt, je nach den Umständen, die Bosheit voraus, wie sie dem Selbstmord oder dem Mord eigen ist.“ Geboten sei ein „Weg der Liebe und des echten Mitleids“, so sollten Angehörige und Freunde die Leidenden und Sterbenden auf der letzten Wegstrecke begleiten: „Sterben für den Herrn heißt den eigenen Tod als letzten Gehorsamsakt gegenüber dem Vater erleben (vgl. Phil 2, 8), indem wir die Begegnung mit dem Tod in der von Ihm gewollten und beschlossenen »Stunde« annehmen (vgl. Joh. 13, 1), der allein zu sagen vermag, wann unser irdischer Weg zu Ende ist. Leben für den Herrn heißt auch anerkennen, dass das Leid, auch wenn es an sich ein Übel und eine Prüfung bleibt, immer zu einer Quelle des Guten werden kann. Das ist der Fall, wenn es aus Liebe und mit Liebe, aus freiwilliger Hingabe an Gott und aus freier persönlicher Entscheidung in der Teilhabe am Leiden des gekreuzigten Christus selber gelebt wird. Auf diese Weise wird der, der sein Leiden im Herrn lebt, Ihm vollkommener ähnlich (vgl. Phil 3, 10; 1 Petr 2, 21) und hat zutiefst teil an seinem Erlösungswerk für die Kirche und die Menschheit.“ Vertieft reflektiert Johannes Paul II. die „Anschläge auf das menschliche Leben“, die Abtreibung und Euthanasie bleiben, auch wenn sie gesetzlich legitimiert sind. Staatliches Recht kann dem Naturrecht und dem Sittengesetz entgegenstehen, aber nicht außer Kraft setzen: „Nicht selten wird behauptet, das Leben eines ungeborenen oder eines sich in völliger Schwäche befindlichen Menschen sei nur ein relatives Gut: entsprechend einer Logik der Verhältnismäßigkeit oder des kalten Kalküls sollte es mit anderen Gütern verglichen und abgewogen werden.“ Mit der Lehre der katholischen Kirche ist ein solches Denken unvereinbar: „Die radikalsten Meinungsäußerungen gehen schließlich soweit zu behaupten, in einer modernen und pluralistischen Gesellschaft müsste jedem Menschen volle Autonomie zuerkannt werden, über das eigene Leben und das Leben des ungeborenen Kindes zu verfügen: die Wahl und Entscheidung zwischen den verschiedenen Moralauffassungen wäre in der Tat nicht Sache des Gesetzes, und noch weniger könnte es sich die Auferlegung einer einzelnen dieser Auffassungen zum Nachteil der anderen anmaßen.“ Deutlich kennzeichnet Johannes Paul II. die Signaturen des Relativismus: „Manche behaupten, dieser Relativismus sei eine Voraussetzung für die Demokratie, weil nur er Toleranz, gegenseitige Achtung der Menschen untereinander und Bindung an die Entscheidungen der Mehrheit gewährleisten würde, während die als objektiv und bindend angesehenen sittlichen Normen zu Autoritarismus und Intoleranz führen würden. Doch gerade die Problematik der Achtung vor dem Leben zeigt, welche Missverständnisse und Widersprüche, begleitet von entsetzlichen praktischen Folgen, sich hinter dieser Einstellung verbergen.“ Wie aber ist damit umzugehen, wenn Parlamente solche Gesetze beschließen, wenn oberste Gerichte Euthanasie und Abtreibung für zulässig erklären? Johannes Paul II. antwortet darauf unmissverständlich: „Die Gesetze, die Abtreibung und Euthanasie zulassen und begünstigen, stellen sich also nicht nur radikal gegen das Gut des einzelnen, sondern auch gegen das Gemeinwohl und sind daher ganz und gar ohne glaubwürdige Rechtsgültigkeit. Tatsächlich ist es die Nicht-Anerkennung des Rechtes auf Leben, die sich, gerade weil sie zur Tötung des Menschen führt — in dessen Dienst zu stehen die Gesellschaft ja den Grund ihres Bestehens hat —, am frontalsten und irreparabel der Möglichkeit einer Verwirklichung des Gemeinwohls entgegenstellt. Daraus folgt, dass ein staatliches Gesetz, wenn es Abtreibung und Euthanasie billigt, eben darum kein wahres, sittlich verpflichtendes staatliches Gesetz mehr ist. Abtreibung und Euthanasie sind also Verbrechen, die für rechtmäßig zu erklären sich kein menschliches Gesetz anmaßen kann. Gesetze dieser Art rufen nicht nur keine Verpflichtung für das Gewissen hervor, sondern erheben vielmehr die schwere und klare Verpflichtung, sich ihnen mit Hilfe des Einspruchs aus Gewissensgründen zu widersetzen.“ Der heilige Papst erinnert zugleich daran, woran ein gläubiger Christ gebunden bleibt: „Wie alle Menschen guten Willens sind die Christen aufgerufen, aus ernster Gewissenspflicht nicht an jenen Praktiken formell mitzuwirken, die, obgleich von der staatlichen Gesetzgebung zugelassen, im Gegensatz zum Gesetz Gottes stehen. Denn unter sittlichem Gesichtspunkt ist es niemals erlaubt, formell am Bösen mitzuwirken. Solcher Art ist die Mitwirkung dann, wenn die durchgeführte Handlung entweder auf Grund ihres Wesens oder wegen der Form, die sie in einem konkreten Rahmen annimmt, als direkte Beteiligung an einer gegen das unschuldige Menschenleben gerichteten Tat oder als Billigung der unmoralischen Absicht des Haupttäters bezeichnet werden muss.“ Quelle: CNA Deutsch,  31. July, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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Die Würde des ungeborenen Kindes

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 26 Illustration Foto: Bonnie Kittle / Unsplash (CC0) In der Enzyklika „Evangelium vitae“ spricht Johannes Paul II. wortwörtlich über das „verabscheuungswürdige Verbrechen der Abtreibung“ – und zitiert damit eine Formulierung aus „Gaudium et spes“, dort nachzulesen in Abschnitt 51. Wer also der Lehre des Konzils treu sein möchte, streitet heute konsequent wider die Abtreibung. Der heilige Papst spricht von einer Verdunklung des Gewissens, die fortschreite: „Die Billigung der Abtreibung in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewußtseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht auf Leben auf dem Spiel steht. Angesichts einer so ernsten Situation bedarf es mehr denn je des Mutes, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge beim Namen zu nennen, ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung zur Selbsttäuschung nachzugeben.“ Getötet werde ein „menschliches Geschöpf“, das „absolut unschuldigste Wesen, das man sich vorstellen kann“: „Es ist schwach, wehrlos, so daß es selbst ohne jenes Minimum an Verteidigung ist, wie sie die flehende Kraft der Schreie und des Weinens des Neugeborenen darstellt. Es ist voll und ganz dem Schutz und der Sorge derjenigen anvertraut, die es im Schoß trägt. Doch manchmal ist es gerade sie, die Mutter, die seine Tötung beschließt und darum ersucht und sie sogar vornimmt.“ Johannes Paul II. weist auf die besondere Schuld der Väter hin, wenn ein Mann die Frau zur Abtreibung drängt oder sie mit all ihren Sorgen in der Schwangerschaft allein lässt: „Nicht verschwiegen werden dürfen sodann die Beeinflussungen, die aus dem weiteren Familienverband und von Freunden kommen. Nicht selten ist die Frau einem so starken Druck ausgesetzt, daß sie sich psychologisch gezwungen fühlt, in die Abtreibung einzuwilligen: ohne Zweifel lastet in diesem Fall die sittliche Verantwortung besonders auf denen, die sie direkt oder indirekt gezwungen haben, eine Abtreibung vorzunehmen. Verantwortlich sind auch die Ärzte und das Pflegepersonal, wenn sie ihre berufliche Kompetenz, die sie erworben haben, um das Leben zu fördern, in den Dienst des Todes stellen.“ Ebenso verantwortlich seien die „Gesetzgeber“, die „Abtreibungsgesetze gefördert und beschlossen haben“ oder international tätige Organisationen, die Abtreibung unterstützen. Weiterhin erklärt Johannes Paul II.: „Manche versuchen, die Abtreibung durch die Behauptung zu rechtfertigen, die Frucht der Empfängnis könne, wenigstens bis zu einer bestimmten Zahl von Tagen, noch nicht als ein persönliches menschliches Leben angesehen werden. In Wirklichkeit »beginnt in dem Augenblick, wo das Ei befruchtet wird, ein Leben, das nicht das des Vaters oder der Mutter, sondern eines neuen menschlichen Geschöpfes ist, das sich eigenständig entwickelt. Es wird nie menschlich werden, wenn es das nicht von dem Augenblick an gewesen ist.“ Somit sei der „Frucht der menschlichen Zeugung vom ersten Augenblick ihrer Existenz an jene unbedingte Achtung zu gewährleisten ist, die dem Menschen in seiner leiblichen und geistigen Ganzheit und Einheit moralisch geschuldet wird“. Der Mensch sei „in jedem Augenblick seiner Existenz, auch in jenem Anfangsstadium, das der Geburt vorausgeht, heilig und unantastbar“. Zugleich weist er darauf hin, dass erst das Christentum die schändliche, verbrecherische Praxis der Kindstötung in der griechisch-römischen Welt, die bis heute als kultureller Höhepunkt der abendländischen Geschichte verklärt wird, als Mord bezeichnet und kenntlich gemacht habe. Der heilige Papst bekräftigt: „Kein Umstand, kein Zweck, kein Gesetz wird jemals eine Handlung für die Welt statthaft machen können, die in sich unerlaubt ist, weil sie dem Gesetz Gottes widerspricht, das jedem Menschen ins Herz geschrieben, mit Hilfe der Vernunft selbst erkennbar und von der Kirche verkündet worden ist.“ Quelle: CNA Deutsch,  24. July, 2021  Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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