Marianisch leben

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 11
Maria (Detail) im berühmten Portrait von Antonello da Messina. Foto: CNA/Wikimedia

Die Enzyklika „Redemptoris mater“ birgt einen großen Reichtum an Gedanken zur spirituellen Vertiefung, die in der Osterzeit bedacht und erwogen werden können. Der heilige Johannes Paul II. hat sein ganzes Leben hindurch die marianische Treue beispielhaft verkörpert, indem auch er die Weisung der Gottesmutter in apostolischem Auftrag und petrinischem Dienst aufgenommen hat: „Was er euch sagt, das tut.“ Dieses Wort auf der Hochzeit zu Kana bietet so präzise wie erhellend Aufschluss darüber, dass Maria nicht als Miterlöserin auftritt, sondern auf Christus zeigt und auf den gebotenen liebenden Gehorsam gegenüber seinen Worten hinweist. 

Während des „verborgenen Lebens Jesu“ sei auch das „das Leben Marias »mit Christus verborgen in Gott« (vgl. Kol 3,3) durch den Glauben“ gewesen: „Der Glaube ist nämlich eine Berührung mit dem Geheimnis Gottes. Maria ist ständig, täglich in Berührung mit dem unaussprechlichen Geheimnis Gottes, der Mensch geworden ist, einem Geheimnis, das alles übersteigt, was im Alten Bund offenbart worden ist. Seit dem Augenblick der Verkündigung ist der Geist der Jungfrau und Mutter in die völlige »Neuheit« der Selbstoffenbarung Gottes eingeführt und sich dieses Geheimnisses bewußt geworden.“ Sie wird selig genannt, weil sie geglaubt hat. Maria verkörpert und versinnbildlicht für uns heute die Seligkeit des gotteskindlichen Glaubens, die Schönheit und den Glanz eines Glauben, der nicht nach Amt, Macht und Geltung strebt, sondern liebende Hingabe ist, jedem eigenen Wollen entsagend und sich dem Willen Gottes übereignend. Im menschlichen Wollen liegt keine Größe, oft aber Größenwahn. Der Mensch kann die Wahrheit nicht machen, aber an die Wahrheit glauben und die Wahrheit lieben. Die Wahrheit Gottes lebt nicht aus dem philosophischen Argument, sondern sie ist eingezeichnet in die mütterliche Liebe Marias, eine Liebe, die nicht verdient, sondern nur geschenkt, angenommen und erfahren werden kann. Der heilige Papst schreibt weiter: „Mit Recht können wir also in jenem Satz »Selig ist, die geglaubt hat« gleichsam einen Schlüssel suchen, der uns die innerste Wirklichkeit Marias erschließt: derjenigen, die der Engel im Augenblick der Verkündigung als »voll der Gnade« bezeichnet hat. Wenn sie als die »Begnadete« seit Ewigkeit im Geheimnis Christi gegenwärtig gewesen ist, so erhält sie durch den Glauben in vollem Umfang Anteil an seinem irdischen Lebensweg: Sie schritt voran auf dem »Pilgerweg des Glaubens«. Zugleich macht sie auf diskrete, aber unmittelbare und wirksame Weise dieses Geheimnis Christi für die Menschen gegenwärtig. Und sie tut dies noch immer und ist durch das Geheimnis Christi auch selbst unter den Menschen zugegen.“

In vielen katholischen Familien wird eine besondere Beziehung zur Gottesmutter gepflegt. Es ist auch nicht schwer, Maria zu lieben, wenn wir von ihr – wie von der Mutter – an die Hand genommen, behutsam geführt und angeleitet werden. Möge diese Liebe zur Gottesmutter auch heute in den Familien wachsen. Von Maria dürfen wir Schutz und Fürsprache erhoffen. Sie ist uns nahe, sie begleitet uns auf unserem Weg zu Gott. Johannes Paul II. schreibt mit großer Dankbarkeit und Teilhabe darum über die mütterliche Liebe: „Es gehört zur Natur der Mutterschaft, daß sie sich auf eine Person bezieht. Sie führt immer zu einer einzigartigen und unwiederholbaren Beziehung von zwei Personen: der Mutter zum Kind und des Kindes zur Mutter. Auch wenn ein und dieselbe Frau Mutter von vielen Kindern ist, kennzeichnet ihre persönliche Beziehung zu jedem einzelnen von ihnen wesentlich ihre Mutterschaft. Jedes Kind ist nämlich auf einmalige und unwiederholbare Weise gezeugt worden, und das gilt sowohl für die Mutter als auch für das Kind. Jedes Kind wird auf die nämliche Weise von jener mütterlichen Liebe umgeben, auf der seine menschliche Erziehung und Reifung gründen.“ Er spricht von dem inneren Band, von einer sehr besonderen Beziehung. Der Herr hat am Kreuz zu dem Jünger, den er liebte, gesagt: „Siehe, deine Mutter!“ – und mit diesen Worten auf die Mutterschaft Marias für jeden gläubigen Christen verwiesen: „Man kann ferner sagen, daß in diesen Worten das Motiv für die marianische Dimension im Leben der Jünger Christi klar angegeben wird: nicht nur des Johannes, der zu jener Stunde zusammen mit der Mutter seines Meister unter dem Kreuze stand, sondern jedes Jüngers Christi, jedes Christen. Der Erlöser vertraut seine Mutter dem Jünger an, und zugleich gibt er sie ihm zur Mutter. Die Mutterschaft Marias, die zum Erbe des Menschen wird, ist ein Geschenk, das Christus persönlich jedem Menschen macht. Wie der Erlöser Maria dem Johannes anvertraut, so vertraut er gleichzeitig den Johannes Maria an. Zu Füßen des Kreuzes hat jene besondere vertrauensvolle Hingabe des Menschen an die Mutter Christi ihren Anfang, die dann in der Geschichte der Kirche auf verschiedene Weise vollzogen und zum Ausdruck gebracht worden ist. … Und weil Maria ihm persönlich zur Mutter gegeben worden ist, meint diese Aussage, wenn auch nur indirekt, all das, was die innerste Beziehung eines Kindes zu seiner Mutter ausdrückt. Dies alles kann man in dem Wort »Vertrauen« zusammenfassen. Vertrauen ist die Antwort auf die Liebe einer Person und im Besonderen auf die Liebe der Mutter.“

Wir verstehen die Liebesgeschichte zwischen Gott und dem Menschen nicht, wenn wir Maria außen vor lassen. Christus vertraut Maria der Obhut des Jüngers an: „Die marianische Dimension im Leben eines Jüngers Christi kommt in besonderer Weise durch ein solches kindliches Vertrauen zur Muttergottes zum Ausdruck, wie es im Testament des Erlösers auf Golgota seinen Ursprung hat. Indem der Christ sich wie der Apostel Johannes Maria kindlich anvertraut, nimmt er die Mutter Christi »bei sich« auf und führt sie ein in den gesamten Bereich seines inneren Lebens, das heißt in sein menschliches und christliches »Ich«: »Er nahm sie zu sich«. … So entfaltet sich auch jene Mutterschaft nach dem Geist, die unter dem Kreuz und im Abendmahlssaal Marias Aufgabe geworden ist.“

Wenn wir uns von der Gottesdienstkindschaft emanzipieren und uns zu einer Autonomie des Menschen bekennen, die in der Moderne und Postmoderne nicht als Abgrund der Sünde gefürchtet, sondern als Befreiung glorifiziert wird, entfremden wir uns auch von der Mutter des Herrn. Der Sünder wendet sich in törichtem Ungehorsam ab, von Christus, von seiner Mutter und von der Kirche. 

Die Liebe zu Maria ist auf Christus hingeordnet: „Denn er, Christus, ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen; er ist »der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14, 6); er ist derjenige, den der Vater der Welt gegeben hat, auf daß der Mensch »nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh 3, 16). Die Jungfrau von Nazaret ist die erste »Zeugin« dieser Erlöserliebe des Vaters geworden und möchte auch immer und überall seine demütige Magd bleiben. Für jeden Christen, jeden Menschen ist Maria diejenige, die als erste »geglaubt hat«; mit diesem ihrem Glauben als Jungfrau und Mutter will sie auf alle jene einwirken, die sich ihr als Kinder anvertrauen. Es ist bekannt, je mehr diese Kinder in einer solchen Haltung verharren und darin fortschreiten, desto näher führt sie Maria zu den »unergründlichen Reichtümern Christi« (Eph 3,8 ). … Im Licht Marias erblickt die Kirche auf dem Antlitz der Frau den Glanz einer Schönheit, die die höchsten Gefühle widerspiegelt, deren das menschliche Herz fähig ist: die vorbehaltlose Hingabe der Liebe; eine Kraft, die größte Schmerzen zu ertragen vermag; grenzenlose Treue und unermüdlicher Einsatz; die Fähigkeit, tiefe Einsichten mit Worten des Trostes und der Ermutigung zu verbinden.“ Johannes Paul II. lädt zum Lobpreis Marias ein, im Wissen darum, dass wir in unserem Hymnus an die Gottesmutter den Glauben an Christus und die Kirche vertiefen. Die Gottesmutter lehrt uns Demut und Hingabe. Dieser Tugenden bedürfen wir in diesen nicht einfachen Zeiten so sehr. Möge uns, wie dem heiligen Johannes Paul II., die Gottesmutter Vorbild in der Treue zu Christus und im Glauben, Hoffen und Lieben sein. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.  

Quelle: CNA Deutsch, 10. April, 2021 

Autor: Dr. Thorsten Paprotny

 

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