Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 26
In der Enzyklika „Evangelium vitae“ spricht Johannes Paul II. wortwörtlich über das „verabscheuungswürdige Verbrechen der Abtreibung“ – und zitiert damit eine Formulierung aus „Gaudium et spes“, dort nachzulesen in Abschnitt 51. Wer also der Lehre des Konzils treu sein möchte, streitet heute konsequent wider die Abtreibung. Der heilige Papst spricht von einer Verdunklung des Gewissens, die fortschreite: „Die Billigung der Abtreibung in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewußtseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht auf Leben auf dem Spiel steht. Angesichts einer so ernsten Situation bedarf es mehr denn je des Mutes, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge beim Namen zu nennen, ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung zur Selbsttäuschung nachzugeben.“ Getötet werde ein „menschliches Geschöpf“, das „absolut unschuldigste Wesen, das man sich vorstellen kann“: „Es ist schwach, wehrlos, so daß es selbst ohne jenes Minimum an Verteidigung ist, wie sie die flehende Kraft der Schreie und des Weinens des Neugeborenen darstellt. Es ist voll und ganz dem Schutz und der Sorge derjenigen anvertraut, die es im Schoß trägt. Doch manchmal ist es gerade sie, die Mutter, die seine Tötung beschließt und darum ersucht und sie sogar vornimmt.“ Johannes Paul II. weist auf die besondere Schuld der Väter hin, wenn ein Mann die Frau zur Abtreibung drängt oder sie mit all ihren Sorgen in der Schwangerschaft allein lässt: „Nicht verschwiegen werden dürfen sodann die Beeinflussungen, die aus dem weiteren Familienverband und von Freunden kommen. Nicht selten ist die Frau einem so starken Druck ausgesetzt, daß sie sich psychologisch gezwungen fühlt, in die Abtreibung einzuwilligen: ohne Zweifel lastet in diesem Fall die sittliche Verantwortung besonders auf denen, die sie direkt oder indirekt gezwungen haben, eine Abtreibung vorzunehmen. Verantwortlich sind auch die Ärzte und das Pflegepersonal, wenn sie ihre berufliche Kompetenz, die sie erworben haben, um das Leben zu fördern, in den Dienst des Todes stellen.“ Ebenso verantwortlich seien die „Gesetzgeber“, die „Abtreibungsgesetze gefördert und beschlossen haben“ oder international tätige Organisationen, die Abtreibung unterstützen. Weiterhin erklärt Johannes Paul II.: „Manche versuchen, die Abtreibung durch die Behauptung zu rechtfertigen, die Frucht der Empfängnis könne, wenigstens bis zu einer bestimmten Zahl von Tagen, noch nicht als ein persönliches menschliches Leben angesehen werden. In Wirklichkeit »beginnt in dem Augenblick, wo das Ei befruchtet wird, ein Leben, das nicht das des Vaters oder der Mutter, sondern eines neuen menschlichen Geschöpfes ist, das sich eigenständig entwickelt. Es wird nie menschlich werden, wenn es das nicht von dem Augenblick an gewesen ist.“ Somit sei der „Frucht der menschlichen Zeugung vom ersten Augenblick ihrer Existenz an jene unbedingte Achtung zu gewährleisten ist, die dem Menschen in seiner leiblichen und geistigen Ganzheit und Einheit moralisch geschuldet wird“.
Der Mensch sei „in jedem Augenblick seiner Existenz, auch in jenem Anfangsstadium, das der Geburt vorausgeht, heilig und unantastbar“. Zugleich weist er darauf hin, dass erst das Christentum die schändliche, verbrecherische Praxis der Kindstötung in der griechisch-römischen Welt, die bis heute als kultureller Höhepunkt der abendländischen Geschichte verklärt wird, als Mord bezeichnet und kenntlich gemacht habe. Der heilige Papst bekräftigt: „Kein Umstand, kein Zweck, kein Gesetz wird jemals eine Handlung für die Welt statthaft machen können, die in sich unerlaubt ist, weil sie dem Gesetz Gottes widerspricht, das jedem Menschen ins Herz geschrieben, mit Hilfe der Vernunft selbst erkennbar und von der Kirche verkündet worden ist.“
Quelle: CNA Deutsch, 24. July, 2021
Autor: Dr. Thorsten Paprotny