Die Christliche Einheit Europas und Papst Johannes Paul II.

Das Buch wurde von Professor Jan Mikrut herausgegeben. Foto: Joanna Łukaszuk-Ritter

Blut von eurem Blute, Knochen von euren Knochen. Das Pontifikat Johannes Pauls II. (1978-2005) und die Kirchen in Mittel- und Osteuropa. Anlässlich des 100. Geburtstages von Karol Wojtyła“ – diesen langen Titel trägt ein umfangreiches wissenschaftliches Werk, herausgegeben von Jan Mikrut, Priester der Erzdiözese Wien und ordentlicher Professor an der Fakultät für Geschichte und kulturelles Erbe der Kirche sowie an der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, mit der er seit 15 Jahren verbunden ist.

Der außergewöhnliche Buchtitel ist ein Zitat aus der Pfingstpredigt, die Karol Wojtyła am 3. Juni 1979 in Gniezno gehalten hat. Mit den Worten „dieser Papst […] [liebe Landsleute], Blut von eurem Blute, Knochen von euren Knochen“ definierte sich Johannes Paul II. bei seinem ersten Besuch in Polen, der zugleich die erste Reise eines Papstes in ein Land des kommunistischen Blocks war. Er wandte sich an alle Christen in Mittel- und Osteuropa von einem sehr symbolischen Ort aus – der Erzkathedrale von Gniezno, dem ältesten Zentrum der polnischen Christenheit. Es war keine politische Botschaft, sondern ein Ausdruck des Charismas „eines polnischen Papstes, eines slawischen Papstes“, der eben in diesem Augenblick aufrief, „die spirituelle Einheit des christlichen Europas auszudrücken“. In seiner Homilie wiederholte Johannes Paul II. mehrmals, dass diese christliche Einheit Europas aus zwei großen Traditionen besteht: dem Westen und dem Osten. Er erwähnte dabei nicht nur die Polen, sondern auch die unmittelbaren slawischen Nachbarn wie Tschechen und Slowaken sowie die geografisch ein wenig entfernten Slowenen, Kroaten, Serben und Bulgaren.

50 Beiträge auf 1.500 Seiten 

Diese beachtenswerte Publikation in italienischer Sprache enthält auf 1.500 Seiten über fünfzig Beiträge zu diesem wichtigen Thema des langjährigen Pontifikats von Johannes Paul II. und will seine Beziehungen zu Ländern und Kirchen Mittel- und Osteuropas hervorheben und teilweise im neuen Licht darlegen. Neben den Artikeln über Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Bulgarien präsentiert das Werk auch Aspekte betreffend Albanien, Österreich, Ostdeutschland, Rumänien und Ungarn, die den über die slawischen Völker hinausgehenden historisch-geografischen Blick auf die Region der Mittel- und Osteuropa vervollständigen. Prominente internationale katholische (sowohl lateinische als auch griechisch-katholische) und orthodoxe Autoren reflektieren aus ihrer Sicht die Beziehungen von Papst Johannes Paul II. zur Traditionen und Geschichte ihrer Länder. Papst Johannes Paul II. hat in seinen Ansprachen oft davon gesprochen, dass Europa mit beiden Lungenflügeln atmen muss, nämlich mit dem östlichen und dem westlichen. Diese Aussage ist „zu einem Paradigma der Ökumene geworden“, stellt der Herausgeber fest.

Zwei Beiträge aus Österreich widmen sich der wesentlichen Rolle Österreichs als „Brückenfunktion“ zwischen Ost und West. Während seiner drei Pastoralbesuche in Österreich (1983, 1988 und 1998), blickte Johannes Paul II. immer wieder über die Grenzen Österreich hinaus, besonders nach Osteuropa, und rief zu einer Neuevangelisierung für den ganzen europäischen Kontinent auf. In ihrem Artikel „Erzbischof von Wien Kardinal Franz König und Papst Johannes Paul II.“ zeichnet Annemarie Fenzl, die enge Mitarbeiterin von Kardinal König und Leiterin des Kardinal-König-Archivs in Wien, die Bedeutung des Erzbischofs von Wien in Verantwortung für die Kirchen von osteuropäischen Ländern nach. Auch die gemeinsamen Versuche von Kardinal König und Papst Wojtyła, die wichtigen und wegweisenden Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils für eine Kirche auf dem Weg zum dritten Jahrtausend, insbesondere des ökumenischen und interreligiösen Dialogs, wurden hier thematisiert. Der Beitrag „Der dritte Pastoralbesuch von Johannes Paul II. in Österreich im Jahre 1998 und die Bedeutung der drei Seligsprechungen für eine Erneuerung der Kirche“ von Sr. Ruth Beinhauer SFCC, Vizepostulatorin für den Selig- und Heiligsprechungsprozess ihrer Mitschwester Restituta Kafka, konzentriert sich ausführlich auf das Ereignis der Seligsprechung der drei Geistlichen Österreicher Jakob Franz Alexander Kern, Anton Maria Schwartz und Schwester Maria Restituta Kafka, das im Rahmen einer feierlichen Eucharistiefeier auf dem Wiener Heldenplatz stattfand. Die historische und symbolische Kraft dieses Ortes unterstrich Johannes Paul II. in seiner Predigt: „Hier und heute haben nicht die Helden der Welt das Wort, sondern die Helden der Kirche, drei neue Selige. Vor sechzig Jahren hat vom Balkon dieses Platzes aus ein Mensch für sich das Heil proklamiert. Die neuen Seligen haben eine andere Botschaft. Sie sagen uns: Nicht in einem Menschen liegt das Heil, sondern: Heil Christus, dem König und Erlöser!“

Diese zweibändige Publikation ist der sechste und umfangreichste Teil der Reihe „Geschichte der Kirche in Mittelosteuropa“, die seit 2016 unter der Leitung von Prof. Jan Mikrut herausgegeben wird, und gehört zweifellos zu den wichtigsten Veröffentlichungen im Jubiläumsjahr von Papst Johannes Paul II. Am 17. November 2020 fand die Buchpräsentation dieses Werkes statt. Zur Online-Veranstaltung der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom wurden namhafte internationale Gäste eingeladen – Erzbischof Marek Jędraszewski von Krakau, Erzbischof-Koadjutor von Sarajevo Tomo Vukšić, Botschafterin der Albanischen Republik beim Heiligen Stuhl Majlinda Dodaj und Diakon der bulgarisch-orthodoxen Kirche Ivan Ivanov, die, nach der Begrüßung durch den Rektor, Pater Nuno da Silva Gonçalves S.J., in ihren Vorträgen sowohl auf die Inhalte des Buches eingingen als auch ihre Zeugnisse und Erinnerungen zum Pontifikat Johannes Pauls II. ablegten.

Zum Schluss meldete sich der Herausgeber Jan Mikrut zu Wort. Er betonte, dass „der Papst ein völlig einzigartiger Protagonist in der Geschichte der Kirche war: Als Pole, als Priester und als Papst sah er sich persönlich allen Dimensionen gegenüber. Alle Autoren heben die Beziehungen hervor, die Johannes Paul II. zu ihren Ländern unterhielt. Johannes Paul II. war der Pastor, der sich verbeugte, um den Boden ihrer Heimat zu küssen, der nach den Jahrzehnten der nationalsozialistischen und kommunistischen Diktaturen in Tränen und Blut getränkt war, um von Herz zu Herz mit ihnen zu sprechen.“

TIPP: Die vollständige Video-Konferenz zum Buch, die Angela Ambrogetti, Chefredakteurin der italienischen Partneragentur von CNA Deutsch, moderierte, ist unter https://bit.ly/centrooriente zugänglich.

Joanna Łukaszuk-Ritter

ROM , 19 November, 2020 / 7:13 AM (CNA Deutsch).-

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