Die Verantwortung der Bischöfe und Moraltheologen

Geistliche Betrachtungen zu den Enzykliken des hl. Johannes Pauls II. – Teil 23
Christus der Erlöser Foto: Robert Nyman / Unsplash (CC0)

In „Veritatis splendor“ weist Johannes Paul II. darauf hin, dass die „ganze Kirche“ – somit auch Sie und ich – dazu berufen sind, an der Evangelisierung und am Zeugnis des Glaubenslebens teilzuhaben. Die Kirche müsse ihr Glaubensleben neu beleben, freilich nicht mithilfe zeitgeistlicher Irrlichter, sondern unter „Führung des Heiligen Geistes“. Die Theologen sind dazu bestellt, nicht ihre Privatideen zu verbreiten, sondern „in Gemeinschaft mit dem Lehramt ein immer tieferes Verständnis des Wortes Gottes, wie es in der inspirierten und von der lebendigen Tradition der Kirche getragenen Schrift enthalten ist, zu gewinnen“. Oft scheint es aber – vor 30 Jahren wie heute – so zu sein, als hätte sich die Theologie, die als katholisch firmiert, sich von Schrift, Tradition und vom Lehramt der Kirche gelöst. 

Eine Theologie, die sich gegen die Kirche stellt, weist der heilige Papst scharf ab: „Was wir über die Theologie im allgemeinen gesagt haben, kann und muß erneut für die Moraltheologie vorgetragen werden, insofern sie begriffen wird in ihrer Eigentümlichkeit als wissenschaftliche Reflexion über das Evangelium als Geschenk und Gebot neuen Lebens, über das Leben, das »von der Liebe geleitet, sich an die Wahrheit hält« (vgl. Eph 4, 15), über das heiligmäßige Leben der Kirche, in welchem die Wahrheit des zu seiner Vollendung gebrachten Guten glänzt. … Durch die Verkündigung der Gebote Gottes und der Liebe Christi lehrt das Lehramt der Kirche die Gläubigen auch konkrete Einzelgebote und verlangt von ihnen, sie gewissenhaft als sittlich verpflichtend zu betrachten. Außerdem übt das Lehramt ein wichtiges Wächteramt aus, indem es die Gläubigen vor möglichen, auch nur implizit vorhandenen Irrtümern warnt, wenn ihr Gewissen nicht dahin gelangt, die Richtigkeit und Wahrheit der vom Lehramt der Kirche gelehrten sittlichen Regeln anzuerkennen.“ Er mahnt die zuständigen Bischöfe, ihren Pflichten nachzukommen. Jeder Gläubige kann und darf von Theologen, die im Namen und im Auftrag der Kirche lehren, eine kirchliche Bindung erwarten: „Den Moraltheologen fällt die Aufgabe zu, die Lehre der Kirche darzulegen und bei der Ausübung ihres Amtes das Beispiel einer loyalen, inneren und äußeren Zustimmung zur Lehre des Lehramtes sowohl auf dem Gebiet des Dogmas wie auf dem der Moral zu geben. Den Moraltheologen wird es, wenn sie ihre Kräfte zur Zusammenarbeit mit dem hierarchischen Lehramt vereinen, ein Anliegen sein, die biblischen Grundlagen, die ethischen Inhalte und die anthropologischen Begründungen, auf denen die von der Kirche vorgelegte Morallehre und Sicht des Menschen aufruhen, immer klarer herauszustellen.“ Inmitten umgreifender „Gefahren des Relativismus“ separieren sich aber viele Moraltheologen von der Lehre der Kirche. Es ist die Aufgabe der Theologen und Bischöfe, als Verteidiger des Glaubens und der Moral ihre Stimme zu erheben. Es ist zudem auch jedem einzelnen Gläubigen, ob Theologe oder nicht, aufgetragen, treu zur Kirche des Herrn zu stehen. Johannes Paul II. schreibt: „Die Tatsache, daß manche Gläubige handeln, ohne die Lehren des Lehramtes zu befolgen, oder ein Verhalten zu Unrecht als sittlich richtig ansehen, das von ihren Hirten als dem Gesetz Gottes widersprechend erklärt worden ist, kann kein stichhaltiges Argument darstellen, um die Wahrheit der von der Kirche gelehrten sittlichen Normen zurückzuweisen.“ 

Zugleich erinnert der Papst die Bischöfe daran, die „Verantwortung gegenüber dem Glauben und dem Glaubensleben des Volkes Gottes“ wahrzunehmen: „Es ist unsere gemeinsame Pflicht und zuvor noch unsere gemeinsame Gnade, als Hirten und Bischöfe der Kirche die Gläubigen das zu lehren, was sie auf den Weg des Herrn führten.“ Dies sei auch ein Gebot der „pastoralen Liebe“: „Wir haben als Bischöfe die Pflicht, darüber zu wachen, daß das Wort Gottes zuverlässig gelehrt wird. Meine Mitbrüder im Bischofsamt, es gehört zu unserem Hirtenamt, über die getreue Weitergabe dieser Morallehre zu wachen und die passenden Maßnahmen zu ergreifen, damit die Gläubigen vor jeder Lehre und Theorie, die ihr widersprechen, geschützt werden. In dieser Aufgabe werden wir alle von den Theologen unterstützt; die theologischen Meinungen bilden jedoch weder die Regel noch die Norm für unsere Lehre. Ihre Autorität beruht, mit dem Beistand des Heiligen Geistes und in der Gemeinschaft cum Petro et sub Petro, auf unserer Treue zu dem von den Aposteln empfangenen katholischen Glauben. Als Bischöfe haben wir die schwerwiegende Verpflichtung, persönlich darüber zu wachen, daß in unseren Diözesen die »gesunde Lehre« (1 Tim 1, 10) des Glaubens und der Moral gelehrt wird.“

In der großen Enzyklika „Veritatis splendor“ hat der heilige Johannes Paul II. 1993 Antworten gegeben, die zu seiner Zeit nötig waren und bis heute hin fortwirken sowie erwogen und bedacht sein mögen. Wir sind umgeben von den Versuchungen des Relativismus, von verstörenden Signaturen der Zeit, umflutet von einer Fülle von kuriosen Privatmeinungen und säkularen Fantasien, die in den Raum der Kirche eingedrungen sind. Oft scheint es so zu sein, als hätten sich die einfach gläubigen Christen den klaren Blick für Glauben und Moral bewahrt. Manche fragen sich, ob die Hirten der Kirche noch führen – oder einige von ihnen selbst geführt werden müssten. Enzykliken wie diese schenken uns Wegweisung und Hoffnung auch in Zeiten der Anfechtung, der Irritation und der innerkirchlichen Nebelbildungen.

Quelle: CNA Deutsch,  3. July, 2021 

Autor: Dr. Thorsten Paprotny

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